Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz & Landeswahlversammlung BTW21 - 22.08.2020 |
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Tagesordnungspunkt: | 10. Verschiedene Anträge |
Status: | Beschluss |
Abstimmungsergebnis: | Ja: 63, Nein: 4, Enthaltungen: 11 |
Beschluss durch: | LDK B90/Grüne MV |
Beschlossen am: | 22.08.2020 |
Eingereicht: | 12.10.2020, 13:41 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Jagd zeitgemäß gestalten – GRÜNE Jagdpolitik für MV
Beschlusstext
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben eine positive Grundeinstellung zur naturschonenden
Nutzung lokaler Ressourcen, die in der Regel mit einer guten Ökobilanz der
Produkte einher geht. Sie liefert lokale Wertschöpfung und Perspektiven für den
ländlichen Raum.
In diesem Sinne betrachten wir auch die Jagd als eine legitime Form der
Landnutzung. Sie ist ein Eingriff in die Natur – wie jede andere Landnutzung
auch. Dabei ist die Jagd freilebender Wildtiere gegenüber der
landwirtschaftlichen Nutztierhaltung prinzipiell die tiergerechtere Form, da die
Wildtiere bis zum Abschuss ein natürliches Leben führen können.
Eine naturnahe und nachhaltige Jagd hat daher dort ihre Berechtigung, wo die
Populationen von Tierarten diese Nutzung erlauben und wo sie natur- und
tierschutzgerecht ausgeübt wird.
Jedoch tritt in der Kulturlandschaft als Begründung der Jagd heute vielfach ein
anderer Grund in den Vordergrund: Das Ziel, bestimmte Wildtierbestände zu
begrenzen. Anerkannt werden können dabei sowohl Gründe des Natur- und
Artenschutzes, als auch der landwirtschaftlichen und waldbaulichen Landnutzung
(Wildschadensvermeidung). Keine tierschutzrechtliche Rechtfertigung für eine
Bestandsregulierung hat hingegen die Konkurrenz von Beutegreifern mit der Jagd.
Kein Wildtier darf nur aus dem Grund geschossen werden, weil es Tiere frisst,
die der Jäger erlegen will. Neben der Frage, welche Wildtierarten genutzt werden
können und sollten, ist die zentrale jagdpolitische Frage demnach, ob und welche
Wildtierbestände begrenzt werden sollten und welche Methoden dafür zulässig sein
sollen.
Wir GRÜNEN setzen uns für eine an ökologischen und zeitgemäßen wildbiologischen
Kriterien orientierte und ethisch vertretbare Jagd ein.
Für die Erhaltung und Wiederherstellung naturnaher Wälder, Hecken und
Feldgehölze kommt der Jagd eine besondere Bedeutung zu. Die Bestände an Rehen
und Hirscharten haben sich in den letzten 100 Jahren vervielfacht, bedingt durch
gezielte „Hege“ und Bestandesaufbau und gefördert durch immer intensivere und
energiereiche Landwirtschaft. Auch Kiefernwälder mit Kahlschlägen liefern ein
deutlich höheres Nahrungsangebot als naturnahe Buchenwälder.
Überhöhte Schalenwildbestände (Rehe, Rothirsche, Damhirsche, Mufflon,
Wildschweine) verursachen enorme Schäden an unseren Wäldern und in der
Landwirtschaft. In Mecklenburg-Vorpommern ist das Problem besonders gravierend,
wie unter anderem die Ergebnisse der Bundeswaldinventur 3 belegen. Die Jagd muss
dafür sorgen, dass die ganze Bandbreite der standortheimischen Vegetation ohne
aufwändige Schutzmaßnahmen aufwachsen kann. Eine waldfreundliche Jagd als
unerlässliche Voraussetzung naturnaher Waldentwicklung ist die wichtigste
jagdliche Aufgabe der Zukunft. Unser Leitbild der „Naturgemäßen Waldwirtschaft“
setzt flächendeckend verhältnismäßig niedrige Schalenwildbestände voraus.
Anzuerkennen ist die Tatsache, dass intensive jagdliche Nutzung (Feinddruck) die
Reproduktion der bejagten Arten ankurbelt. Bei vielen Arten (u.a. Wildschwein,
Fuchs, Waschbär) ist entsprechend zu konstatieren, dass eine jagdliche
Begrenzung von Populationen auf ein bestimmtes Maß unmöglich ist und es neben
der Nutzung der Arten selbst nur um die lokale Vermeidung von Schäden geht.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten dafür ein, dass das Jagdrecht unter Beibehaltung
des Reviersystems weiterhin an Grund und Boden gebunden bleibt. Nur so ist die
Abstimmung der jagdlichen Nutzung auf die Landbewirtschaftung möglich. Wir
wollen den Einfluss der Grundeigentümer stärken und die Flächengrößen zur
Ausweisung von Eigenjagdbezirken absenken. Die Verpachtung von Jagdbezirken in
öffentlichem Eigentum lehnen wir ab.
Uns GRÜNEN ist es ein wichtiges Anliegen, dass die Jäger*innen mit geeigneten
Informations- und Fortbildungsmaßnahmen für den Schutz der natürlichen
Ressourcen und der biologischen Vielfalt sensibilisiert werden. Die
Jagdausbildung muss grundsätzlich überarbeitet und modernisiert werden. Wir
wollen die Jäger*innen verpflichten, künftig einen regelmäßigen Schießnachweis
abzulegen, um ihren Jagdschein verlängern zu können.
Jagd als Nutzung
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vertreten die Position, dass grundsätzlich nur Tiere
gejagt werden sollen, wenn die Verwertung der erlegten Tiere (z.B. Fleisch,
Felle) gewährleistet ist. Dem Jagdrecht sollten außerdem nur solche Tiere
unterliegen, die weder auf europäischer Ebene einen hohen Bestandsschutz
genießen noch in Deutschland gemäß Rote Liste als ausgestorben oder vom
Aussterben bedroht gelten. Die Zahl der jagbaren Tierarten wollen wir
entsprechend reduzieren – für die Bejagung von Arten wie Waldschnepfe, Bläßhuhn,
Hermelin, Dachs oder Baummarder ist keine Rechtfertigung mehr erkennbar.
Wandernde Tierarten – wie Zugvögel –, deren Bestände nicht sicher überwacht
werden können, sollen nicht mehr bejagt werden dürfen.
Jagd und Naturschutz
Abgesenkte Schalenwildbestände ermöglichen eine artenreiche Flora als Grundlage
für Biodiversität in der Kulturlandschaft. Dies ist aus Sicht des Naturschutzes
von überragender Bedeutung.
Wir wollen die Jagd in Schutzgebieten dem jeweiligen Schutzzweck unterordnen. In
diesem Zusammenhang gehen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN davon aus, dass es nur bei
wenigen Wildtierarten sowohl möglich als auch gerechtfertigt ist, ihre Bestände
zum Schutz anderer Arten zu vermindern. Außerdem kommen diese Eingriffe nicht
flächendeckend, sondern nur regional, also dort, wo z.B. in Schutzgebieten
konkrete Populationen geschützt werden sollen, in Betracht. Dies betrifft
insbesondere Insellagen, in MV speziell die Küstenvogelbrutinseln in den
Nationalparken. Bei der Entscheidung, bei welchen Arten das wo erforderlich ist,
plädieren wir dafür, wissenschaftlichen Erkenntnissen zu folgen.
Wir lehnen die Manipulation von Naturräumen ab, um die Anzahl jagbarer Tiere zu
erhöhen; dies betrifft v.a. das Fütterungsverbot für Schalenwild, das wir ohne
Ausnahme umsetzen wollen - Wildtiere müssen Wildtiere bleiben.
Wir wollen ein verbindliches Ausstiegsdatum für die Nutzung bleihaltiger
Munition festschreiben. Im Landeswald wurde mit gutem Beispiel vorangegangen:
Hier darf keine bleihaltige Munition mehr verwendet werden. Bleivergiftungen
sind bei einigen Greifvogelarten (v.a. Seeadler) eine häufige Todesursache. Auch
in menschlicher Nahrung (Wildbret) hat Blei nichts zu suchen.
Jagd und Tierschutz
Wir GRÜNEN setzen uns für ein Verbot tierschutzwidriger Jagdmethoden ein. Dies
betrifft v.a. die pauschale Verfolgung nicht genutzter Arten wie den Rabenvögeln
oder Prädatoren wie Fuchs, Steinmarder oder Marderhund, wenn ihre Felle nicht
verwertet werden. Wir streben das Verbot von Totschlagfallen und der Baujagd an.
Gerechtfertigte Ausnahmen sind z.B. die Entnahme von sich spezialisierenden
Füchsen oder Steinmardern zum Schutz privater Hühnerhaltung. Auch den Einsatz
von Lebendfallen im Jagdbetrieb wollen wir unter behördliche Genehmigungspflicht
stellen. Den Abschuss von Haustieren lehnen wir grundsätzlich ab.
Für ein modernes ökologisches Jagdrecht!
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN MV streben eine umfassende Novellierung des
Landesjagdgesetzes und der nachgeordneten Verordnungen an, um ein zeitgemäßes
ökologisch orientiertes Jagdrecht zu schaffen.
Zur Vermeidung von Wildschäden in der Land- und Forstwirtschaft und als
Voraussetzung für die Entwicklung klimastabiler Wälder wollen wir die
jagdrechtlichen Regelungen für das Schalenwild so modernisieren, dass alle, die
für den Wald von morgen handeln wollen, dies auch tun können. Dies betrifft
unter anderem eine Liberalisierung der Abschussplanregelungen und eine sinnvolle
Harmonisierung der Jagdzeiten. Wir werden die Stellung der Grundeigentümer
stärken und ein praxisgerechtes Verfahren zur Bewertung von Wildschäden im Wald
einführen.
Für den Anbau von Energiepflanzen wollen wir die Pflicht des
Jagdausübungsberechtigten zur Erstattung von Wildschäden hingegen abschaffen,
ebenso bei Ackerkulturen, die zu groß sind, um Wildschäden jagdlich verhindern
zu können.